Unbezahlte Einarbeitung für Freelancer: Chance oder Risiko?

Staatliche Institutionen setzen zunehmend Fremdpersonal ein – teils mit unbezahlter Einarbeitung und enger Einbindung in interne Abläufe. Das wirft nicht nur rechtliche, sondern auch ethische Fragen auf. Gleichzeitig suchen Freelancer in wirtschaftlich unsicheren Zeiten dringend nach Projekten, während unklare Regeln zusätzliche Risiken schaffen. Wie können freie Experten damit umgehen?
Hintergrund: Worum geht es genau?
Auf verschiedenen Plattformen, so auch auf freelancermap, veröffentlichen Dienstleister, die für öffentliche Behörden wie die Bundesagentur für Arbeit (BA) tätig sind, zunehmend Ausschreibungen für externe Fachkräfte in agilen Projekten. In vielen dieser Ausschreibungen fordern Auftraggeber eine Einarbeitung ohne Bezahlung, die mehrere Tage bis Wochen dauern kann oder als prozentualer Anteil der gesamten Projektlaufzeit festgelegt ist.
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Chancen und Risiken abwägen
In bestimmten Fällen kann eine unvergütete Einarbeitung strategisch sinnvoll sein, etwa wenn sie den Einstieg in langfristige, lukrative Projekte erleichtert. Besonders bei Großprojekten mit mehrjähriger Laufzeit und hohen Budgets, kann der Ersteinsatz eine Chance auf weitere, vergütete Aufträge sein. Dennoch sollten Freelancer genau prüfen, ob die Bedingungen fair sind und ob eine Weisungsgebundenheit ausgeschlossen werden kann, um das Risiko der Scheinselbstständigkeit zu vermeiden.
Wann kann eine unbezahlte Einarbeitung sinnvoll und zulässig sein?
- Kennenlernen & beiderseitiger Nutzen: Freelancer erhalten die Möglichkeit, Abläufe kennenzulernen und einzuschätzen, ob die Zusammenarbeit funktioniert, während der Auftraggeber sowohl die Kompetenzen als auch die Eignung des Freelancers für das Projekt prüfen kann.
- Investition in zukünftige Projekte: Bei größeren Projekten oder Rahmenverträgen kann der erste, unbezahlte Onboarding-Zeit dazu führen, dass Folgeaufträge ohne erneute Einarbeitung direkt vergütet werden. Entscheidend ist, dass die Bedingungen klar definiert sind und sich die Investition für den Freelancer tatsächlich auszahlt.
- Keine Weisungsgebundenheit: Eine kostenlose Einarbeitungszeit kann rechtlich unproblematisch sein, wenn der Freelancer eigenverantwortlich arbeitet, nicht in betriebliche Abläufe eingebunden wird und weder feste Arbeitszeiten noch direkte Anweisungen vom Auftraggeber erhält. Solange diese Voraussetzungen erfüllt sind und der Freelancer frei über Arbeitsweise sowie -mittel entscheidet, bleibt das Risiko der Scheinselbstständigkeit gering.
Wann sollten Freelancer vorsichtig sein?
- Fehlende Transparenz: Unklare Angaben zur Dauer und zum Zweck der unbezahlten Einarbeitung können ein Warnsignal sein und sollten kritisch hinterfragt werden.
- Unklare Vereinbarungen: Ohne schriftliche Vereinbarungen besteht das Risiko, dass die unbezahlte Phase verlängert wird oder keine Anschlussvergütung erfolgt.
- Wiederholte unbezahlte Arbeit: Wenn ein Unternehmen regelmäßig unvergütete Einarbeitungen anbietet, könnte dies auf eine bewusste Strategie zur Einsparung von Auslagen auf Kosten der Freelancer hinweisen.
Vier Empfehlungen für Freelancer
- Klare Absprachen treffen: Gemeinsam mit dem Auftraggeber die Dauer und den genauen Umfang der Einarbeitungsphase festlegen.
- Vereinbarungen schriftlich festhalten: Alle Absprachen schriftlich festhalten, um spätere Missverständnisse zu vermeiden.
- Wert kennen: Den eigenen Wert realistisch einschätze, unbegrenzte Einarbeitungszeiten ohne Bezahlung konsequent ablehnen und eine faire Vergütung einfordern.
- Referenzen prüfen: Den Ruf des Unternehmens vorab recherchieren und gegebenenfalls andere Freelancer nach ihren Erfahrungen fragen.

Eine unbezahlte Einarbeitung ist nur in nachvollziehbaren Ausnahmefällen und bei klar geregelten Bedingungen vertretbar, da eine solche Praktik in der Privatwirtschaft nicht üblich ist. Freelancer sollten grundsätzlich ihren Wert kennen und darauf bestehen, dass ihre Leistung wertgeschätzt und und im weiteren Projektverlauf fair vergütet wird.
Beispiel: Bundesagentur für Arbeit
Als zentrale Institution des deutschen Arbeitsmarktes legt die Bundesagentur für Arbeit (BA) großen Wert auf Rechtssicherheit und faire Arbeitsbedingungen. Dennoch enthalten Ausschreibungen, die über Dienstleister für die BA abgewickelt werden, immer wieder Vorgaben zur unvergüteten Einarbeitung.
Auf Anfrage des Freelance-Now-Gründers Marcel Misch erklärt die BA, dass sie selbst kein Vertragsverhältnis mit Freelancern eingeht und somit nicht als deren direkter Auftraggeber agiert. Die Verantwortung für die „kostenneutrale Einarbeitungszeit“ liege bei den beauftragten Dienstleistern, die entsprechende Verträge mit den Freelancern schließen. Das bedeutet, dass eine Vergütung der Einarbeitungszeit individuell mit den jeweiligen Vermittlern verhandelt werden muss. Weitere Hintergründe zu diesem Fall sind auf Freelance Now nachzulesen.
Fazit
Unbezahlte Einarbeitung ist ein umstrittenes Thema, das rechtliche und wirtschaftliche Risiken birgt. Wer einen solchen Auftrag in Betracht zieht, sollte genau hinsehen, abwägen und bewusst entscheiden, ob sich ein Projekt unter diesen Bedingungen lohnt. Transparente Absprachen und schriftliche Vereinbarungen zwischen Freelancer und Auftraggeber sind hier höchste Priorität und helfen beim Vermeiden von Missverständnissen und rechtlichen Fallstricken. Gleichzeitig sollten Solo-Selbstständige auch das Thema Scheinselbstständigkeit im Blick behalten, denn gerade in agilen Projekten kann es schnell zur Grauzone werden.
