Alles, was du über Scheinselbstständigkeit wissen musst
Mehr Schein als Sein?

Alles, was du über Scheinselbstständigkeit wissen musst

23. Oktober 2024 / 17 Min / Diana Meier

Gerade in Deutschland ist die freie Projektarbeit nicht ganz so frei – denn nicht nur über Freelancern, sondern besonders über Auftraggebenden hängt das Damoklesschwert der Scheinselbstständigkeit. Wir sind davon überzeugt, dass Freelancing das Rückgrat der Arbeitswelt von Morgen ist. Das kann jedoch nur funktionieren, wenn Auftraggeber und Auftragnehmer rechtssicher zusammenarbeiten können. Mit der Unterstützung von Fachanwalt Robert Gollwitzer bringen wir mit diesem Ratgeber endlich Licht ins Aktendunkel.

Selbstständigkeit vs. abhängige Beschäftigung

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In Deutschland wird zwischen zwei Beschäftigungsarten unterschieden – der abhängigen Beschäftigung und der Selbstständigkeit. Diese Unterscheidung ist in Sachen Scheinselbstständigkeit vor allem sozialversicherungsrechtlich relevant, denn: Klassische Arbeitnehmer müssen Beiträge zur Sozialversicherung zahlen, Solo-Selbstständige (z. B. Freelancer) hingegen nur begrenzt. Für Einzelunternehmer fallen zum Beispiel Beitragszahlungen zur gesetzlichen Krankenkasse an, nicht aber für die anderen Zweige der Sozialversicherung.

Merkmale der Selbstständigkeit

  • Selbstbestimmung über Arbeitszeit und -ort
  • Frei von Weisungen der Auftraggeber
  • Keine Eingliederung in das Kundenunternehmen
  • Nutzung eigener Betriebsmittel
  • Unternehmerisches Risiko
  • Selbstmarketing bzw. Eigenwerbung
  • Gewinnerzielungsabsicht
  • Freie Wahl des Projekts und Auftraggebers
  • In der Regel keine Versicherungspflicht
  • Haftung im Schadensfall

Merkmale abhängige Beschäftigung

  • Fremdbestimmung von Arbeitszeit, -ort und Erreichbarkeit
  • Weisungsgebundenheit
  • Eingliederung in die Organisation des Arbeitgebers
  • Nutzung der Büroräume, Hard- und Software des Arbeitgebers
  • Auftritt nach Außen im Namen des Arbeitgebers
  • Beitragszahlungen zu den Sozialversicherungen

Beauftragen Unternehmen externe Dienstleister anstelle von festangestellten, beitragspflichtigen, Mitarbeitern, sparen sich Auftraggeber hohe Beitragszahlungen. In den Augen der Sozialversicherungsträger entsteht in dieser Konstellation schnell die Gefahr, dass Selbstständige wie Arbeitnehmer behandelt werden könnten, ohne von den Vorzügen eines Angestellten zu profitieren.

Dazu gehört unter anderem die soziale Absicherung, um die sich Freelancer selbst kümmern müssen. In einem solchen Fall würde eine sogenannte Scheinselbstständigkeit vorliegen. Aber was bedeutet das konkret?

Was ist Scheinselbstständigkeit?

Eine Scheinselbstständigkeit ist im Grunde eine „verdeckte“ abhängige Beschäftigung. Dazu kommt es, wenn z. B. Unternehmen und Freelancer das Auftragsverhältnis als selbstständig einstufen, in Wahrheit liegen allerdings die Merkmale einer abhängigen Beschäftigung vor. Nach dem Sozialgesetzbuch (§ 7 SGB IV) zählen dazu etwa die Weisungsgebundenheit und die Eingliederung in die Organisation des Auftraggebers.

Beispiel: Ein externer Dienstleister arbeitet zu vorgegebenen Zeiten am Projekt seines Auftraggebers. Dieser bestimmt neben den Arbeitszeiten auch den Arbeitsort, definiert den Arbeitsumfang und legt die Höhe der Vergütung fest. Der Selbstständige nimmt außerdem regelmäßig an Teammeetings teil und bekommt von seinem Auftraggeber alle nötigen Mittel gestellt.

Da der freie Mitarbeiter in unserem Beispiel deutliche Anzeichen einer abhängigen Beschäftigung aufweist, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass hier eine Scheinselbstständigkeit vorliegt. Um die beiden Beschäftigungsformen klar voneinander abzugrenzen, sollten beide Vertragsparteien die Kriterien einer Scheinselbstständigkeit kennen.

Wer ist besonders betroffen?

Von den Risiken einer Scheinselbstständigkeit können alle Unternehmen betroffen sein, die Freelancer beschäftigen. Auf der anderen Seite sind auch Freelancer gefährdet, einige Berufsgruppen mehr als andere. Das liegt daran, dass die Grenze zwischen einer abhängigen Beschäftigung und einer Selbstständigkeit bei manchen Berufen fließender ist als bei anderen.

Gerade bei der Betrachtung der Merkmale einer Selbstständigkeit fällt auf, dass das Kriterium „Nutzung eigener Betriebsmittel“ bei einigen Jobs nicht so leicht umsetzbar ist. Klassische Beispiele sind Piloten, die wohl kaum ihr eigenes Personenflugzeug zu ihrem Auftraggeber fliegen können oder Berufskraftfahrer ohne eigenen LKW und LKW-Stellplatz. Weitere gefährdete Berufe sind:

  • Heil- und Pflegeberufe
  • Künstler und Journalisten, die oft an Verlage oder Sender „gebunden“ sind
  • Erzieher
  • Lehrer und Dozenten
  • Handwerker
  • Küstenschiffer und -fischer
  • Seelotsen

Aufgrund der Digitalisierung und neuen Arbeitsmodellen wie Home-Office, ist es zunehmend leichter, sowohl als externer als auch interner Mitarbeiter einer Tätigkeit nachzugehen. Die freie Wahl des Arbeitsorts – was eigentlich ein Kriterium für die Selbstständigkeit ist – wird zunehmend auch für Festangestellte ermöglicht.

Dadurch wirft die Deutsche Rentenversicherung in ihrer Prüfpraxis vermehrt einen Blick auf typische Remote-Tätigkeiten. Betroffen sind somit z. B. auch Grafik-, Medien- und Webdesigner, Programmierer, Berater, Recruiter und viele Berufe mehr.

Was ist das Statusfeststellungsverfahren?

Beim Statusfeststellungsverfahren handelt es sich um ein rechtliches Verfahren zur Statusprüfung eines Auftragsverhältnisses, durchgeführt von der Deutschen Rentenversicherung. Dabei soll die Frage geklärt werden, ob jemand tatsächlich selbstständig ist oder in Wirklichkeit als abhängig Beschäftigter anzusehen ist. Was das Statusfeststellungsverfahren genau ist, welche Arten es gibt und wie es abläuft, haben wir in unserem Blogartikel zusammengefasst: Was ist das Statusfeststellungsverfahren?

Folgen für Auftraggeber

Stellt die DRV fest, dass eine abhängige Beschäftigung und keine Selbstständigkeit vorliegt, hat der Statusfeststellungsbescheid für beide Vertragsparteien ernsthafte Konsequenzen. Gerade Unternehmen müssen mit erheblichen Nachzahlungen von Sozialversicherungsbeiträgen rechnen, die rückwirkend seit Beginn des Vertragsverhältnisses fällig werden. Fachanwalt Robert Gollwitzer erklärt:

Das Unternehmen muss die Sozialversicherungsbeiträge sowohl für den Arbeitgeber- als auch den Arbeitnehmeranteil nachzahlen – und zwar bis zu vier Jahre zurück. Im Jahr 2024 beträgt der Beitragssatz 40,9 % des Honorars, begrenzt auf die jeweilige Beitragsbemessungsgrenze.

Robert Gollwitzer
Fachanwalt bei Link Siry Rechtsanwälte

Bei vorsätzlichem Handeln können zusätzlich Säumniszuschläge anfallen. Diese Verzugszinsen betragen ein Prozent der rückständigen Summe pro Monat, und die Verjährungsfrist liegt bei Vorsatz sogar bei 30 Jahren. Das kann zu erheblichen zusätzlichen Kosten führen.

Ein Beispiel zeigt ein Urteil des hessischen Landessozialgerichts (L 8 BA 51/20) aus dem Jahr 2023. Hier wurde die Scheinselbstständigkeit für zwei Auftragsverhältnisse in einer Baufirma festgestellt. Die Deutsche Rentenversicherung Bund forderte daraufhin Sozialversicherungsbeiträge inklusive Säumniszuschlägen in Höhe von über 103.000 Euro nach.

Zusätzlich zu den Beitragsnachforderungen drohen Unternehmen weitere Strafen. Nach § 8 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes können bei Leichtfertigkeit Bußgelder von bis zu 50.000 Euro verhängt werden.

Bei vorsätzlichem Handeln sind gemäß § 266a Strafgesetzbuch sogar Freiheitsstrafen möglich: „Wer als Arbeitgeber der Einzugsstelle Beiträge des Arbeitnehmers zur Sozialversicherung einschließlich der Arbeitsförderung, unabhängig davon, ob Arbeitsentgelt gezahlt wird, vorenthält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“

Folgen für Auftragnehmer

Nicht nur Auftraggeber müssen bei einer festgestellten Scheinselbstständigkeit mit massiven Schäden rechnen. Mögliche Folgen für Auftragnehmer sind:

  • Aufgehobener Status als Selbstständiger
  • Verlust von Kunden
  • Rückzahlung zu viel erhaltener Honorare
  • Korrektur der Umsatz- und Vorsteuer
  • Rentenversicherungspflicht tritt ein

Aufgehobene Selbstständigkeit

Wird für ein Auftragsverhältnis eine Scheinselbstständigkeit bestätigt, wird es nicht mehr als selbstständige Tätigkeit angesehen. Stattdessen wird es rückwirkend ab Vertragsbeginn als Arbeitsverhältnis gewertet. Arbeitet zum Beispiel ein IT-Freelancer an drei verschiedenen Projekten und eines davon wird als verdeckte abhängige Beschäftigung eingestuft, gilt er für diesen Auftrag als Arbeitnehmer. Verfügt er jedoch nur über einen Auftraggeber, verliert er seinen Status als Selbstständiger vollständig. Für Gewerbetreibende bedeutet das, dass sie ihr Gewerbe zudem abmelden müssen.

Verlust von Kunden

Der neue Beschäftigtenstatus bringt weitere Konsequenzen für Freelancer mit sich. Wenn weder der Freelancer noch der Auftraggeber ein Anstellungsverhältnis wünschen oder einfordern, wird das Auftragsverhältnis vorzeitig beendet. Das gilt auch für vergleichbare Auftragsverhältnisse.

Default Quote
Die Deutsche Rentenversicherung fragt bei ihren Prüfungen deine weiteren Auftraggeber ab. Und wenn sich ein Vertragsverhältnis als scheinselbstständig herausstellt, prüft die DRV gerne die weiteren Vertragsverhältnisse mit deinen weiteren Auftraggebern. Selbst eine einzelne Prüfung, bei der eine Scheinselbstständigkeit angenommen wird, kann sich negativ auf deine übrigen Aufträge und Kundenbeziehungen auswirken.

Robert Gollwitzer
Fachanwalt bei Link Siry Rechtsanwälte

Aus diesem Grund raten wir davon ab, das Statusfeststellungsverfahren ohne anwaltliche Unterstützung in die Wege zu leiten. Schlafende Hunde sollten weder Freelancer noch Unternehmen wecken, denn: Nicht nur Auftragsverhältnisse mit Auftraggebern werden überprüft, sondern auch die mit anderen Freelancern. Weitere Informationen zum Statusfeststellungsverfahren gibt es in unserem Beitrag.

Rückzahlung zu viel erhaltener Honorare

Der Auftraggeber kann einen Teil des Freelancer-Honorars nur dann zurückfordern, wenn man selbst auf eine abhängige Beschäftigung besteht und sich von seinem Auftraggeber anstellen lassen möchte. Grund dafür ist die unterschiedliche Einkommenshöhe von Festangestellten und Selbstständigen. Da Auftragnehmer für gewöhnlich ihr unternehmerisches Risiko selbst tragen und so über ihre Vergütung Ausgaben wie Betriebskosten, Versicherungen und Co. decken müssen, fällt der Stundensatz regelmäßig höher aus als der von abhängig Beschäftigten.

Beispielrechnung: Ein Festangestellter IT-Spezialist verdient im Schnitt 4.200 Euro pro Monat. Ausgehend von 160 Arbeitsstunden pro Monat ergibt das einen durchschnittlichen Stundensatz von 26,25 Euro brutto. Ein Freelancer im Bereich IT-Infrastruktur verdient laut Freelancer-Kompass 2024 100 Euro pro Stunde. Würde der eigentlich Selbstständige auf ein Arbeitsverhältnis bestehen, müsste er die Differenz von 73,75 Euro pro Stunde seit Beginn des Vertragsverhältnisses an den Auftraggeber zurückzahlen.

Korrektur der Umsatz- und Vorsteuer

Zählen Selbstständige nicht zu den Kleinunternehmern, müssen die Rechnungen des betroffenen Auftragsverhältnisses um die fehlerhaft verrechnete Umsatzsteuer korrigiert werden. Um steuerrechtliche Fehler zu vermeiden, sollten Freelancer ihren Steuerberater zurate ziehen.

hinweis

Wenn mehrere Auftragsverhältnisse als scheinselbstständig eingestuft wurden, müssen die Rechnungen für alle betroffenen Aufträge rückwirkend seit Vertragsbeginn korrigiert werden.

Um steuerrechtliche Fehler zu vermeiden, sollten Freelancer ihren Steuerberater zurate ziehen. Dieser kann anschließend die Kommunikation mit dem Finanzamt übernehmen.

Rentenversicherungspflicht tritt ein

Bestätigt die DRV nach der Prüfung die Selbstständigkeit, kann dennoch rückwirkend eine Rentenversicherungspflicht entstehen. Dieser Fall tritt ein, wenn ein Selbstständiger keine versicherungspflichtigen Mitarbeiter beschäftigt und überwiegend für nur einen Auftraggeber arbeitet. Außerdem greift die Beitragspflicht zur Rentenversicherung, wenn der Selbstständige einem der versicherungspflichtigen Berufe angehört. Mehr zur Rentenversicherungspflicht bei Freelancern und versicherungspflichtigen Berufen in der Künstlersozialkasse in unseren Ratgebern nachlesen:

Kriterien der Scheinselbstständigkeit

Leider bietet der Gesetzgeber keinen klaren Kriterienkatalog für mehr Rechtssicherheit im Projektgeschäft. Dennoch gehen zahlreiche Indizien aus den Fragebögen zum Statusfeststellungsverfahren der DRV und verschiedenen Gesetzestexten hervor. Mit der Unterstützung von Robert Gollwitzer, Fachanwalt für Arbeitsrecht, haben wir die Kriterien einer Scheinselbstständigkeit zusammengestellt:

  • Auftragnehmer müssen Weisungen des Auftraggebers befolgen
  • Es gibt Regelungen zu festen Arbeitszeiten und dem Einsatzort
  • Pflicht zur Arbeitszeiterfassung
  • Hard- und Software und/oder Räumlichkeiten des Auftraggebers sollen genutzt werden
  • Der Auftragnehmer nimmt an Teammeetings, Schulungen oder Betriebsfeiern teil
  • Im Krankheitsfall können die Aufgaben ohne Weiteres an Teammitglieder übertragen werden
  • Auftragnehmer müssen sich bei Urlaub oder Krankheit mit dem Projektteam abstimmen
  • Andere Teammitglieder können dem Auftragnehmer Aufgaben übertragen
  • Teile des Honorars müssen an den Auftraggeber abgetreten werden
  • Der Auftraggeber legt einseitig die Höhe der Vergütung fest
  • Auftragnehmer treten nach außen im Namen des Kunden auf, z. B. durch Logo, Briefpaper o. Ä.
  • Honorar wird auch bei Urlaub und Krankheit weiterhin bezahlt
  • Die Vergütung erfolgt nicht auf Rechnung des Auftragnehmers
  • Auftragnehmer haften nicht für Mängel oder Vertragsverletzungen
  • Der Auftragnehmer war vor dem Vertragsverhältnis beim Auftraggeber abhängig beschäftigt

Wir wissen: Um schnell einschätzen zu können, ob eine Scheinselbstständigkeit vorliegt, brauchen Freelancer und Unternehmen etwas praktikableres als einen umfassenden Ratgeber zum Thema. Deshalb haben wir alle Informationen kompakt in einem Whitepaper aufbereitet – eines für jede Vertragspartei. Darin ist auch eine Checkliste mit allen Kriterien zum Abhaken enthalten. So können Auftraggeber und Auftragnehmer vor und während dem Projekt prüfen, ob die Zusammenarbeit rechtskonform verläuft.

Scheinselbstständigkeit vermeiden

Wie die Deutsche Rentenversicherung und die zuständigen Sozialgerichte Urteilen, ist nicht immer klar nachvollziehbar. Klassische Beispiele hierfür sind das Musikschullehrer-1– und das Musikschullehrer-2-Urteil. Im ersten entschied das Gericht, dass eine Selbstständigkeit vorliegt. Im anderen wurde eine Scheinselbstständigkeit festgestellt. Und das, obwohl in beiden Fällen nahezu identische Umstände gegeben waren.

Solche Fälle zeigen, dass sich das Risiko einer Scheinselbstständigkeit aufgrund der oft unklaren Rechtslage nicht vollständig vermeiden lässt. Wir haben allerdings einige Tipps und Strategien ausgearbeitet, um rechtliche Fallstricke in der Zusammenarbeit zwischen Freelancern und Unternehmen deutlich zu reduzieren.

Tipp #1: Auf eine korrekte Vertragsgestaltung achten

Eine korrekte Vertragsgestaltung ist ein entscheidender Schritt, um die Risiken einer Scheinselbstständigkeit bereits vor Beginn der Zusammenarbeit zu minimieren. Denn: Die DRV prüft (unter anderem) die Verträge sowohl beim verpflichtenden als auch beim freiwilligen Statusfeststellungsverfahren. Deshalb sollten bei der Vertragserstellung folgende Formulierungen und Angaben nicht enthalten sein:

  • Vertragsbezeichnungen wie “Arbeitsvertrag”
  • Bezeichnung der Vertragsparteien als “Arbeitnehmer” und “Arbeitgeber”
  • Festlegung von Arbeitszeiten
  • Bestimmung des Arbeitsorts
  • Regelmäßiges Netto- bzw. Bruttogehalt
  • Vorgaben zur Verwendung von Dienstkleidung des Auftraggebers
  • Pflicht zur Arbeitszeiterfassung
  • Umgang mit Urlaubs- oder Krankheitstagen

Dienstvertrag oder Werkvertrag?

Zu den meistgenutzten Vertragsformen bei der Zusammenarbeit von Freelancern und Unternehmen gehören der Werkvertrag und der Dienstvertrag.

Werkvertrag

Beim Werkvertrag (§ 631 BGB) schuldet der Auftragnehmer ein konkretes Ergebnis bzw. einen bestimmten Erfolg. Der Werkunternehmer wird erst dann entlohnt, wenn das vereinbarte Werk fertiggestellt und abgenommen ist (z. B. Bau eines Hauses oder Erstellung eines Softwareprogramms).

Dienstvertrag

Beim Dienstvertrag (§ 611 BGB) schuldet der Dienstleister lediglich die Tätigkeit an sich, nicht den Erfolg. Beispiele sind etwa Beratungsverträge. Es wird ein fortlaufender Dienst erbracht, ohne dass ein konkretes Ergebnis garantiert wird.

Daneben haben sich noch weitere Vertragstypen entwickelt, etwa der Berater- oder der Honorarvertrag. Welcher Vertrag für welchen Zweck der richtige ist, haben wir in unserem Überblicksartikel zusammengefasst. Passende Vertragsvorlagen – ohne ungünstige Formulierungen – können hier heruntergeladen werden.

Tipp #2: Das gelebte Auftragsverhältnis im Blick behalten

Unterscheidet sich das gelebte Vertragsverhältnis von dem, was vertraglich vereinbart wurde, wächst das Risiko einer Scheinselbstständigkeit. Insbesondere, wenn die Merkmale einer abhängigen Beschäftigung während des Projekts auftreten. Etwa, indem Freelancer oder Unternehmen feste Arbeitszeiten wünschen, die Teilnahme an Meetings oder Veranstaltungen oder aus Kulanz der Firmenlaptop gestellt wird – und Auftragnehmer sich dagegen nicht währen.

Jede Vertragspartei muss darauf achten, die Kriterien einer Scheinselbstständigkeit dauerhaft im Blick zu behalten. Das beste Mittel ist hierbei eine offene, transparente und verständnisvolle Kommunikation. Zum Beispiel können Freelancer schon vor dem Beginn der eigentlichen Zusammenarbeit betonen, dass sie als Selbstständige auftreten. Unternehmen können dagegen hervorheben, weshalb die Teilnahme an Teamevents oder die gemeinsame Arbeit im Büro nicht der beste Weg ist.

Tipp #3: Freelancer können mit Selbstmarketing vorbeugen

Für eine Scheinselbstständigkeit spricht das fehlende Auftreten als selbstständiger Unternehmer am Markt. Im Kern bedeutet das, dass Freelancer auch Selbstmarketing und Kundenakquise betreiben müssen, um nicht als verdeckt abhängige Beschäftigte zu gelten. Hier eignen sich die verschiedensten Maßnahmen, die sich auch ohne viel Zeitaufwand oder teure Mittel realisieren lassen. Etwa eine eigene Homepage, Logo, E-Mail sowie Signatur oder auch die Angebots- und Rechnungserstellung.

Weiterführende Informationen

FAQ

Wie kann ich Scheinselbstständigkeit ausschließen?

Um Scheinselbstständigkeit zu vermeiden, sollte darauf geachtet werden, dass die Tätigkeit frei von Weisungen in Bezug auf Ort, Zeit und Art der Arbeit ist. Die Vergütung sollte auf Projektbasis und nicht als regelmäßiges Gehalt erfolgen und nicht vom Auftraggeber festgelegt werden. Ein rechtlich geprüfter Werk- oder Dienstvertrag schafft zusätzliche Sicherheit.

Wie erkenne ich Scheinselbstständigkeit?

Scheinselbstständigkeit liegt vor, wenn eine Person formell als Selbstständiger arbeitet, jedoch faktisch wie ein Arbeitnehmer agiert. Anzeichen sind eine starke Weisungsgebundenheit, die Nutzung der Betriebsmittel des Auftraggebers oder eine Eingliederung in den Betrieb. Wenn diese Merkmale überwiegen, könnte eine abhängige Beschäftigung vorliegen. Wichtig ist zu wissen, dass die Deutsche Rentenversicherung immer unter Gesamtbetrachtung aller Kriterien prüft.

Was sind die Kriterien der Scheinselbstständigkeit?

Wichtige Kriterien der Scheinselbstständigkeit sind Weisungsgebundenheit, die Eingliederung in den Betrieb, die Nutzung der Betriebsmittel des Auftraggebers und das Fehlen von unternehmerischem Risiko. Weitere Indizien sind, wenn der Auftragnehmer keine eigenen Mitarbeiter beschäftigt und wenn er ausschließlich oder überwiegend für einen Auftraggeber tätig ist. Diese Kriterien werden im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens geprüft.

Was ist die 5/6-Regelung?

Die 5/6-Regelung bezieht sich auf die Rentenversicherungspflicht für bestimmte Selbstständige. Wenn ein Selbstständiger mindestens fünf Sechstel seines Einkommens von nur einem Auftraggeber bezieht, und das dauerhaft, muss er in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen. Mit der 5/6-Regelung kann eine Scheinselbstständigkeit allerdings nicht ausgeschlossen oder gar eine Selbstständigkeit festgestellt werden.

Welche Strafe droht bei Scheinselbstständigkeit?

Wird Scheinselbstständigkeit festgestellt, muss der Auftraggeber rückwirkend für bis zu vier Jahre Sozialversicherungsbeiträge nachzahlen, in Fällen von Vorsatz kommen Verzugszinsen hinzu (Säumniszuschläge) und die Verjährungsfrist kann sich auf bis zu 30 Jahre verlängern. Zudem drohen Bußgelder und strafrechtliche Konsequenzen wegen des Vorenthaltens von Sozialversicherungsbeiträgen nach § 266a StGB. Auch für den Auftragnehmer können Rückforderungen hinsichtlich der Umsatzsteuer bzw. Vorsteuer entstehen, falls diese fälschlich erhoben bzw. geltend gemacht wurde. Achtung: Honorare können Auftraggeber nur dann anteilig zurückfordern, wenn der Selbstständige eine abhängige Beschäftigung ausdrücklich einfordert.

Was tun, wenn eine Scheinselbstständigkeit festgestellt wurde?

Wenn Scheinselbstständigkeit festgestellt wird, können die Vertragsparteien Widerspruch einlegen und Stellung nehmen. Sieht die Deutsche Rentenversicherung Bund von ihrer Entscheidung nicht ab, kann Klage beim zuständigen Sozialgericht eingereicht werden. Dieser Weg ist allerdings sehr müßig und lang. Daher sollten beide Vertragsparteien abwägen, ob sie diesen Schritt gehen wollen.

Scheinselbstständigkeit Definition: Was ist das?

Unter dem Begriff “Scheinselbstständigkeit” ist eine verdeckte abhängige Beschäftigung zu verstehen. Sie entsteht, wenn die Vertragsparteien – Auftraggeber und Auftragnehmer – das Verhältnis als selbstständige Tätigkeit behandeln. In Wirklichkeit sind jedoch die Kriterien einer abhängigen Beschäftigung gegeben. Nach § 7 SGB IV wären entsprechende Merkmale zum Beispiel die Weisungsbefugnis oder Eingliederung in die Organisation des Auftraggebers.

Scheinselbstständigkeit: Wer haftet?

Bei der Feststellung von Scheinselbstständigkeit haftet in erster Linie der Auftraggeber. Er muss die Sozialversicherungsbeiträge für den Arbeitnehmer rückwirkend nachzahlen. Der Auftragnehmer kann ebenfalls von Rückforderungen betroffen sein, zum Beispiel hinsichtlich der fälschlich berechneten Umsatzsteuer. Häufig verlieren Freelancer bei einer festgestellten Scheinselbstständigkeit Kunden, auch der eigene Status als Selbstständiger kann aufgehoben werden.

Wer prüft, ob eine Scheinselbstständigkeit vorliegt?

Ob eine Scheinselbstständigkeit vorliegt, wird durch die Deutsche Rentenversicherung im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens geprüft. Sowohl der Auftraggeber als auch der Auftragnehmer können dieses Verfahren beantragen, um den sozialversicherungsrechtlichen Status festzustellen. Zudem können Sozialversicherungsträger oder Finanzbehörden eine Prüfung anstoßen, wenn Zweifel an der Selbstständigkeit bestehen.

Gibt es die Scheinselbstständigkeit auch bei einem Kleingewerbe?

Ja, auch bei einem Kleingewerbe kann Scheinselbstständigkeit vorliegen. Entscheidend ist nicht der Gewerbestatus, sondern die tatsächlichen Arbeitsbedingungen. Wenn ein Kleingewerbetreibender weisungsgebunden arbeitet und kein eigenes unternehmerisches Risiko trägt, besteht das Risiko, dass er als scheinselbstständig eingestuft wird. Das Kleingewerbe schützt also nicht vor dieser rechtlichen Einstufung. Entgegen der gängigen Mythen schützt auch keine Rechtsform wie die GmbH oder UG.

Was wäre ein Beispiel für die Scheinselbstständigkeit?

Ein Beispiel für Scheinselbstständigkeit wäre ein freier Programmierer, der seit mehreren Jahren ausschließlich für ein Unternehmen arbeitet. Er erhält ein festes monatliches Honorar, nutzt die Büros und Computer des Unternehmens und arbeitet nach den Anweisungen des IT-Leiters. Obwohl er als Selbstständiger geführt wird, spricht die starke Eingliederung in den Betrieb und die fehlende freie Zeiteinteilung für eine abhängige Beschäftigung.

Welche Urteile für Scheinselbstständigkeit gibt es?

Es gibt mehrere wegweisende Urteile zur Scheinselbstständigkeit, etwa das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) aus 2022, bei dem eine Musikschullehrerin als abhängig Beschäftigte eingestuft wurde, obwohl sie auf Honorarbasis tätig war. Das Gericht stellte fest, dass die Lehrerin stark in den Betrieb eingebunden und weisungsgebunden war. Solche Urteile verdeutlichen, dass es auf die tatsächlichen Arbeitsbedingungen ankommt und nicht auf die formale Vertragsgestaltung.