Koalitionsvertrag für Freelancer 2025 I Alle Änderungen

Der Koalitionsvertrag: Was ändert sich für Freelancer

14. April 2025 / 7 Min /

Die Regierungsparteien CDU/CSU und SPD haben sich auf einen Koalitionsvertrag verständigt, der auch für Freelancer, Freiberufler und Solo-Selbstständige entscheidende Veränderungen bringen könnte. Die Erwartungen an die Politik waren im Vorfeld groß: Weniger Bürokratie, mehr Rechtssicherheit, faire Absicherung und ein zeitgemäßes Verständnis freier Arbeit. Ob das neue Regierungsprogramm diese Hoffnungen erfüllt, haben wir uns genau angeschaut.

Geplante Reformen für Freelancer

Von der geplanten Altersvorsorge über den Bürokratieabbau bis hin zur Neuregelung des Mutterschutz und gezielter Gründungsförderung: Die Koalition plant zahlreiche Maßnahmen, um die Selbstständigkeit nicht nur rechtlich abzusichern, sondern auch alltagstauglicher und zukunftsfähiger zu machen.

Diese Änderungen für Freelancer stehen im Koalitionsvertrag
Diese Änderungen für Freelancer stehen im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD.

Reform des Statusfeststellungsverfahrens

Im Freelancer-Kompass 2025 gaben 60 % der befragten Freelancer an, dass die Scheinselbstständigkeit der größte strukturelle Nachteil ist, den sie erleben. Die neue Bundesregierung erkennt den Handlungsbedarf: Selbstständige und Auftraggeber brauchen mehr Rechtssicherheit. Das Verfahren zur Prüfung, ob eine Tätigkeit als selbstständig oder angestellt gilt, soll deshalb reformiert werden.

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Das Statusfeststellungsverfahren soll laut dem aktuellen Entwurf künftig schneller, transparenter und rechtssicherer werden.

In der bisherigen Praxis wurde es jedoch häufig als langwierig und schwer einschätzbar wahrgenommen. Insbesondere auf Seiten der Auftraggeber führte das teils zu Zurückhaltung. Die angestrebte Reform könnte mehr Klarheit schaffen, wenn die Umsetzung praxistauglich erfolgt. Ob die geplanten Anpassungen tatsächlich mehr Verlässlichkeit bringen, bleibt abzuwarten. Entscheiden wird sein, ob unternehmerische Selbstständigkeit klar von abhängiger Beschäftigung abgegrenzt wird, ohne pauschale Bewertungen oder zusätzliche Hürden.

Es ist höchste Zeit, bei der sozialrechtlichen Einstufung von Auftragsverhältnissen für mehr Vorhersehbarkeit und damit Rechtssicherheit zu sorgen. Seit Jahren besteht hier große Unsicherheit im Hinblick auf die drohende Scheinselbstständigkeit. Zuletzt schlug das „Herrenberg-Urteil“ hohe Wellen. Hier hatte das BSG 2022 seine noch vier Jahre zuvor bestätigen besonderen Abgrenzungsmerkmale für lehrende Tätigkeiten aufgegeben und war völlig überraschend zur Annahme einer abhängigen Beschäftigung gekommen. Das Herrenberg-Urteil hat es als Sinnbild für die bestehende Rechtsunsicherheit sogar in den Koalitionsvertrag geschafft. Der Koalitionsvertrag, der mehr eine Absichtserklärung als ein rechtlich bindender Vertrag ist, lässt auf die dringenden Reformen hoffen.

Robert Gollwitzer
Fachanwalt bei Link Siry Rechtsanwälte

Einführung einer Genehmigungsfiktion

Die neue Bundesregierung möchte zudem bürokratische Hürden verringern. Ganze 56 % der Befragten gaben die Bürokratie als großen Nachteil für Freelancer und Solo-Selbstständige an. Im Koalitionsvertrag (PDF) wird die Einführung einer Genehmigungsfiktion festgeschrieben. Sollten beispielsweise Behörden bestimmte Anträge nicht innerhalb einer bestimmten Frist entscheiden, gelten diese als automatisch genehmigt.

Für Freelancer würde das weniger Bürokratie und keine unnötig langen Wartezeiten im Arbeitsalltag bedeuten. Selbstständige könnten schneller mit ihrer Arbeit starten, ohne Wochen oder Monate auf Entscheidungen, beispielsweise bei der Vergabe von Projektaufträgen oder Statusklärungen warten zu müssen.

Weitere Maßnahmen zum Bürokratieabbau

Die Koalition aus CDU/CSU und SPD hat weiter Pläne für die Reduzierung der Bürokratie in ihrem Koalitionsvertrag festgeschrieben. Im Freelancer-Kompass 2025 gaben fast drei Viertel der Befragten an, sie wünschen sich einen Abbau von Bürokratie für die Selbstständigen.

Die neue Bundesregierung möchte zwei Jahre lang keine neuen Statistikpflichten mehr einführen. Bestehende Pflichten sollen überprüft und vereinfacht oder ganz abgeschafft werden. Im Bundesstatistikgesetz ist bereits geregelt, dass Freelancer Fragebögen vom Statistischen Bundesamt oder Landesamt wahrheitsgemäß ausfüllen müssen. Bei Nicht-Einhaltung kann sogar ein Bußgeld verhängt werden.

Außerdem sollen bestehende Dokumentationspflichten überprüft werden. Besonders Solo-Selbstständige könnten von der Reduzierung von Schulungs-, Weiterbildungs- und Dokumentationspflichten profitieren. Weniger Zeit für lästige Formulare und Nachweise, was mehr Zeit für echte Arbeit und Kundenprojekte bedeutet.

Eine weitere Erleichterung und Bürokratieabbau soll mit dem „Once-Only“ Prinzip eingeführt werden. Angaben, wie die Umsatzsteuer-ID, Adresse oder Unternehmensdaten müssten nur noch einmal digital übermittelt werden. Die unterschiedlichen Behörden könnten dann automatisch auf den gleichen Datensatz zugreifen.

Digitalisierung von Verwaltungsleistungen („One-Stop-Shop“)

Die Digitalisierung der Verwaltungen bekommt von der neuen Bundesregierung eine hohe Priorität. Es soll ein zentrales digitales System entstehen, über das verschiedene Behördenanfragen an einem Ort gestellt werden können. Es wird nicht mehr nötig sein, zwischen unterschiedlichen Portalen zu wechseln. Unternehmensgründungen sollen so beispielsweise innerhalb von 24 Stunden möglich werden. Der Einstieg in die Selbstständigkeit und der bürokratische Aufwand als Freelancer können durch „One-Stop-Shop“ vereinfacht werden.

Diese Forderungen haben Freelancer an den Staat
Diese Wünsche hatten die Befragten im Freelancer-Kompass 2025 an den Staat.

Stärkung der freien Berufe und Versorgungswerke

Ein wichtiger Punkt für Freelancer, wie zum Beispiel Übersetzer, Ingenieure oder Steuerberater, ist die angekündigte Stärkung der freien Berufe und der berufsständischen Versorgungswerke.

Freelancer und Selbstständige, die einem freien Beruf zugeordnet sind, profitieren von stabilen und berufsspezifischen Altersvorsorgesystemen, statt in die gesetzliche Rentenversicherung gedrängt zu werden. Dies sicher die berufliche Unabhängigkeit.

Verpflichtende Altersvorsorge für neue Selbstständige

Im Freelancer-Kompass 2025 äußerte ein Fünftel der Befragten den Wunsch, dass der Staat eine Rentenversicherungspflicht für Selbstständige einführen soll. Die kommende Bundesregierung hat auch diesen Punkt in ihren Koalitionsvertrag aufgenommen. So sollen neue Selbstständige eine Altersvorsorge nachweisen.

Freelancer können in das gesetzliche Rentenversicherungssystem einzahlen, aber es werden auch andere geeignete Altersvorsorgeformen akzeptiert.

Hierunter könnten fallen:

  • Rürup-Rente (auch Basisrente), eine staatlich geförderte, private Altersvorsorge
  • Berufsständisches Versorgungswerk, hier entsteht eine Pflichtzulassung bei Berufszulassung
  • Private Rentenversicherung
  • Immobilien
  • ETFs, Aktien, Fonds beziehungsweise allgemeine Kapitalmarktinvestments mit langfristigen Sparplänen

Die Altersvorsorge soll eine verlässliche und insolvenzgeschützte Vorsorge sein, die eine spätere Rente sichert. Für Freelancer ist die Altersvorsorge ein kritisches Thema, weil sie im Vergleich zu Festangestellten nicht automatisch – außer in Versorgungswerken – gesetzlich abgesichert sind. Dies kann für Selbstständige Altersarmut bedeuten. Die geplante Rentenpflicht soll gründerfreundlich sein und die Betroffenen flexibel zwischen verschiedenen Vorsorgeformen wählen können. Dies ist ein Schritt zu mehr sozialer Sicherheit, ohne die Selbstständigkeit in großem Umfang zu behindern.

Lese-Tipp: Freiberufler müssen sich selbt vor Risiken schützen und absichern. Welche weiteren Versicherungen sind Pflicht und welche optional? Wir klären auf.

Freelancer-Zusammenarbeit vorbereiten: Checkliste und Tipps

Förderung von Existenzgründungen und Betriebsübernahmen

Im Koalitionsvertrag ist zudem vorgesehen, Existenzgründungen und Betriebsübernahmen zu fördern. Dies zielt vor allem auf mittelständische Betriebe, Handwerksunternehmen und auf Solo-Selbstständige ab. Viele kleine Unternehmen warten aufgrund von Ruhestand oder Aufgabe auf eine Übernahme. Die neue Bundesregierung möchte mit Förderprogrammen, finanziellen Hilfen und Beratung diesen Übergang erleichtern.

Wer sich neu selbstständig macht oder ein bestehendes Geschäft übernimmt, soll mit finanzieller Förderung und Beratung rechnen können. Hürden bei der Existenzgründung sollen gesenkt und die langfristigen Erfolgschancen gesteigert werden. Die Bundesregierung verfolgt mit dieser Förderung das Ziel, die Selbstständigkeit attraktiver, sicherer und auch nachhaltiger zu machen.

Prüfung der Corona-Hilfen

Wie viele andere Gründer waren auch manche Freelancer von der Pandemie betroffen. Die finanziellen Hilfen der Bundesregierung haben vielen Solo-Selbstständigen in dieser schweren Zeit geholfen. Das neue Bundeskabinett hat in seinem Koalitionsvertrag nun beschlossen, dass gerade bei der Prüfung von kleineren Beträgen nur noch Stichproben durchgeführt werden sollen.

Für Selbstständige, die meist nur Hilfen zwischen 3.000 und 6.000 Euro erhalten haben, würde die neue Regelung mehr Sicherheit schaffen. Die betroffenen Freelancer müssten sich weniger Sorgen machen, dass der Staat das Geld zurückfordert.

Mutterschutz für Selbstständige

Für weibliche Selbstständige bringt eine Schwangerschaft finanzielle Unsicherheiten mit sich. Die Koalition aus CDU/CSU und SPD plant deshalb, den Mutterschutz auch für Solo-Selbstständige einzuführen. Die Mutterschutzfristen sollen denen von Festangestellten gleichgesetzt werden.

Zudem wurde eine Flexibilisierung bei der Berechnungsgrundlage des Elterngeldes in Aussicht gestellt. Dies wäre ein großer Fortschritt für die soziale Absicherung selbstständiger Frauen.

Fazit

Der Koalitionsvertrag verspricht zahlreiche Verbesserungen für den Arbeitsalltag von Freelancern und Solo-Selbstständigen. Doch noch ist unklar, welche Vorschläge tatsächlich umgesetzt werden und ob sie sich in der Praxis für Freelancer bewähren. Die geplanten Maßnahmen zur Vermeidung von Scheinselbstständigkeit werfen beispielsweise weiterhin Fragen auf.

In der Community wächst die Sorge, dass pauschale Regelungen wie eine allgemeine Rentenversicherungspflicht oder vereinfachte Statusfeststellungsverfahren zu mehr Unsicherheit führen könnten. Kritisch gesehen wird vor allem, dass Selbstständige weiterhin als einheitlich schutzbedürftige Gruppe behandelt werden. Viele fordern stattdessen differenzierte Lösungen, die den vielfältigen Arbeitsrealitäten gerecht werden. Ein transparenter Kriterienkatalog, der unternehmerische Tätigkeiten klar erkennbar macht, wäre ein möglicher Ansatz.

Wichtig bleibt, dass die Maßnahmen Rechtsicherheit schaffen, ohne Selbstständigkeit unnötig zu behindern. Freelancer sind einer der Motoren der deutschen Wirtschaft und verdienen Rahmenbedingungen, die ihre Rolle stärken. Wir bei freelancermap werden die Umsetzung der im Koalitionsvertrag genannten Punkte weiter verfolgen.

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